Buch »Der Allesverkäufer – Jeff Bezos und das Imperium von Amazon«
König Jeff, der Unerbittliche
Amazon beherrscht den E‑Commmerce und erobert immer weitere Geschäftszweige. Eine Buchkritik über die Entstehungsgeschichte von Amazon und den Anteil des Gründers Jeff Bezos. Was können Manager daraus lernen?
Von Adrian Kasprzak • 03.08.2020

Adrian liest »Der Allesverkäufer« (engl. Fassung »The Everything Store«) Bild: ADRIAN.MANAGEMENT
Worum geht es?
Unerbittlich war der Gründer von Amazon Jeff Bezos schon immer. Unerbittlich sollte ursprünglich sogar der Name sein. »Relentless« heißt es auf Englisch und die im Gründungsjahr 1994 registrierte Adresse relentless.com führt noch heute zu Amazon. Es wurde bekanntlich ein anderer Name, Jeff Bezos’ unerbittlicher Führungsstil ist geblieben.
Sehr detailliert und spannend erzählt der Journalist und Buchautor Brad Stone in dem preisgekrönten Buch die Entwicklungsgeschichte von Amazon. Die Idee war von Anfang an einen Onlineshop für einfach alles zu schaffen. Wir erfahren, warum mit Büchern begonnen wurde und wie schrittweise das Sortiment erweitert wurde bis Amazon tatsächlich zur ersten Adresse für das Onlineshopping wurde.
Dabei steht Amazon nicht einfach nur für Versandhandel. Das Unternehmen hat den Versandhandel revolutioniert und E‑Commerce nach heutigen Maßstäben erfunden. Was heute selbstverständlich ist, hat Amazon eingeführt und zeichnet den Shop noch heute gegenüber Wettbewerbern aus. Dazu zählen z. B. Produktbewertungen von Kunden, Empfehlungen wie »Kunden, die das gekauft haben, kauften auch…« und die ultimative Vereinfachung des Einkaufens: das Kaufen mit nur einem Klick.
»Es gibt noch so viel zu erfinden. Es wird noch so viel Neues passieren. Wir haben keine Vorstellung davon, wie bedeutend das Internet sein wird und dass dies noch Tag 1 in so vielerlei Hinsicht ist.«
Jeff Bezos, auf einer Tafel im Amazon-Hauptquartier in Seattle
Ein riesiger Erfolgsfaktor waren außerdem die IT-Innovationen, die mit dem Versand von Paketen gar nichts mehr zu tun haben. Wir lernen die Entstehungsgeschichten des Kindle-E-Book-Readers, des Sprachassistenten Alexa mit dem wachsenden Ökosystem drumherum und des Cloud-Computungs Amazon Web Services AWS. Amazon ist eben ein IT-Unternehmen.
Was hat mich beeindruckt?
Als Leser darf ich die Entwicklung von Amazon über viele Jahre hautnah erleben. Noch lange vor der Gründung begleiten die Leser die Entstehung von Amazon und seine Entwicklung bis zur Marktführerschaft in vielen Ländern der Welt. Dank Jeff Bezos an der Spitze bleibt ein immer währender Hunger nach weiterem Wachstum. Das Buch zeigt auch, wohin der Weg in der Zukunft führen dürfte.
Es wird klar, wie wichtig der richtige Kopf an der Spitze eines Unternehmens ist. Wo in anderen Unternehmen endlos diskutiert wird, handelt Amazon. Wo in anderen Unternehmen das Erreichte mit aller Kraft verteidigt wird, schafft sich Amazon wie im Buchsegment geschehen selbst Konkurrenz und wird dank disruptiver Innovation mit dem Kindle zusätzlich Marktführer bei E‑Books.
Sosehr der Erfolg Amazons mit persönlichen Entscheidungen von Jeff Bezos verbunden ist, mindestens genauso ausschlaggebend war Bezos’ Fähigkeit, die Unternehmensorganisation nach seinem Leitbild aufzubauen. Kundenorientierung und Innovationsgeist sowie das andauernde Streben nach großen Zielen sind hier nicht nur schöne Worte. Die vielen sehr guten Mitarbeitenden bei Amazon lassen ihnen seit einem Vierteljahrhundert Taten folgen.
Adrian folgen
Viele Unternehmen behaupten kundenorientiert zu handeln. In diesem Buch lernen wir, was Kundenorientierung wirklich bedeutet. Das erste Gebot in Amazons »Leadership Principles« lautet »Customer Obsession« – also eine Besessenheit, Zwangsvorstellung oder Sucht, die Kunden glücklich zu machen. Alles eher negativ klingende Wörter. Hier merken wir, dass es wohl auch Schattenseiten gibt. Und damit kommen wir zum nächsten Punkt.
Was hat mich gestört?
Der Erfolg hat seinen Preis. Es herrscht ein permanenter Druck von »oben«. Viele sprechen von mangelndem Respekt und fehlender Fairness gegenüber Beteiligten wie Mitarbeitenden und Verkaufenden. Auch im Buch wird das sehr deutlich geschildert. Wer ein perfektes Unternehmen erwartet, der wird enttäuscht. Jeff Bezos hat ein System geschaffen, in dem nur das Ergebnis zählt, nicht der Mensch. Hier herrscht König Jeff, der Unerbittliche.
Wem empfehle ich das Buch?
Das Buch ist spannend für jeden, der sich fragt, wie der Gigant so erfolgreich wurde. Für jede Führungsperson sollte es sogar eine Pflichtlektüre sein! Wir erfahren anhand zahlreicher Beispiele und Anekdoten, wie eine Organisation aufgebaut werden kann, die so unglaublich effizient die Welt verändert hat – und es wohl noch lange tun wird. (So plant Amazon zurzeit beispielsweise 3.200 Internetsatelliten in die Erdumlaufbahn zu schicken.)
Lernen wir also von den Besten. Ohne zu viel aus dem Buch zu verraten: Fangen wir mit einer Vision an, analysieren die Marktchancen und geben wir dann alles, damit aus der Vision Realität wird. Bauen wir ein Team um uns, dass dabei hilft. Und verhaspeln wir uns schließlich nicht im Kleinkram des Alltags, sondern bleiben wir so effizient wie ein kleines Startup.
Welches Fazit ziehe ich?
Das Buch »Der Allesverkäufer« fand ich durchgehend spannend und informativ. Managern liefert es viele Hinweise darauf, was die erfolgreichen Unternehmen von den weniger erfolgreichen unterscheidet. Der wichtigste Erfolgfaktor: Jeff Bezos hat immer die Entwicklung sehr aktiv gesteuert. Bei all der imponierenden Effektivität sollten wir jedoch nicht vergessen, anstelle der roboterhaften Unerbittlichkeit lieber empathisch zu sein und auf Menschlichkeit zu setzen.
Ich habe das Buch in der ersten Auflage der englischen Originalfassung aus dem Jahr 2013 gelesen (engl. Titel: »The Everything Store«). Die zweite, erweiterte Auflage erschien 2018.